Riesen-Schlangenhalsschildkröte, Chelodina expansa, © Bruce C. Chessman

Van Dyke - 2019 - 01

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Van Dyke, J. U., R. Spencer, M. B. Thompson, B. Chessman, K. Howard & A. Georges (2019): Conservation implications of turtle declines in Australia's Murray River system. – Scientific Reports 9(1): 1-12.

Erhaltungsmaßnahmen gegen den Rückgang bei den Schildkröten im Murray-Flusssystem Australiens.

DOI: 10.1038/s41598-019-39096-3 ➚

 Chelodina longicollis, – © Stefan Thierfeldt
Glattrückige Schlangenhalsschildkröte,
Chelodina longicollis,
© Stefan Thierfeldt

Erhaltungsmaßnahmen erfordern eigentlich schnelles Handeln um effektiv zu sein wobei letzteres oft schwierig zu realisieren ist, da die finanziellen Mittel oft begrenzt sind oder dem politische Interessen entgegenstehen oder nur unzureichendes Datenmaterial vorliegt. Schildkröten gehören aber zu den weltweit am meisten bedrohten Wirbeltieren bei denen fast die Hälfte der 356 Arten als vom Aussterben bedroht gelten. Für Australiens Murray-Flusssystem wurde 1980 schon vorhergesagt, dass Nestplünderungen durch invasive Füchse (Vulpes vulpes) den Rückgang bei den Schildkrötenpopulationen bedingen. Wir überprüften hier die Populationen der Breitschildkröte (Chelodina expansa), der östlichen Schlangenhalsschildkröte (C. longicollis) und der Murray-Flussschildkröte (Emydura macquarii) im Murray-Fluss und einigen seiner assoziierten Wasserwege. Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die vorhergesagten Populationseinbrüche stattgefunden haben. Alle drei Arten sind in der unteren Murray-Flussregion selten und wurden in vielen Regionen des südlichen Australiens gar nicht mehr nachgewiesen werden. Zudem waren die noch vorhandenen E. macquarii–Populationen allerorts von einer zunehmenden Überalterung betroffen die sehr wahrscheinlich aufgrund der Zerstörung der Gelege durch Füchse verursacht wird. Chelodina longicollis-Populationen zeigten auch in einigen Lokalitäten diese Überalterung. Diese andauernde sehr niedrige Rate an Jungtieren trägt zur potentiellen Überalterung und letztendlich zum Kollaps der Populationen bei was insbesondere deshalb so besorgniserregend ist, weil dieses Szenario schon vor 30 Jahren vorhergesagt worden war und viele Populationszusammenbrüche in Südaustralien zur Realität geworden sind. Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass die Schildkrötenrückgänge trotz der Vorhersagen nicht verhindert werden konnten. Wenn diese Populationszusammenbrüche fortschreiten geht eine Wirbeltiergruppe mit wichtigen Funktionen beim Nährstoffrecycling in diesen aquatischen Ökosystemen verloren. Unsere Ergebnisse beleuchten ein Worst-Case-Szenario für das die Rückgänge prognostiziert worden sind aber nie wirkliche Gegenmaßnahmen wirkungsvoll realisiert wurden.

 Emydura macquarii, – © Bruce C. Chessman
Breitrand-Spitzkopfschildkröte,
Emydura macquarii,
© Bruce C. Chessman

Kommentar von H.-J. Bidmon

Ich finde es gut, dass die Autoren dieses Abstract erst gar nicht mit neuen Maßnahmenvorschlägen zur Rettung der Restpopulationen enden lassen, sondern klar, vielleicht auch schon ihre eigene Resignation anklingen lassend, dass Versagen hervorheben. Die besten Vorhersagen nützen eben meist nichts, wenn der politische Wille zur Umsetzung fehlt, denn auch Wissenschaftler sind meist Staatsangestellte und können nur das realisieren was ihnen gesellschaftspolitisch erlaubt wird. Das ist eben der bedeutende Unterschied zu den entsprechend ausgestatteten Privatinitiativen, die zwar häufig von angeblichen Tierwohlexperten kritisiert werden, die aber wenn man überhaupt noch von Arterhaltung reden will diese zumindest ansatzweise, kurzzeitig realisieren (siehe Barker & Barker, 2014). Nun hat ja Australien eines der weltweit strengsten Tierschutzgesetze implementiert, das die private Tierhaltung so gut wie unmöglich macht (siehe auch Kuchling, 2006). Hat das vielleicht auch schon dazu geführt, dass sich vor Ort weit weniger Menschen für wildlebende Tiere und Pflanzen interessieren und deshalb aus politischer Sicht kaum noch eine Notwendigkeit gegeben ist? Weil eben diese Lebewesen mehr oder weniger sowieso unbeachtet von den politisch relevanten Mehrheiten verschwinden ohne, dass es zu großen Protesten führt. Wie politisch abhängig und wie risikoreich Naturschutz ist sehen wir gerade auch aktuell in Brasilien wo eine einzige Wahl dafür sorgte, dass die Politik so umgestellt wurde, dass viele Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte für den Regenwald vorerst wieder verloren sind. Auch für Madagaskar hat R. Bour schon 1980 den Rückgang der Habitate für Pyxis–Populationen angeprangert und auch dieser Rückgang wurde nicht gestoppt (siehe Walker & Rafeliarisoa, 2012; Walker et al., 2012; 2010). Siehe dazu auch die Kommentare zu Mandimbihasina et al., 2018; Symes et al., 2018). Sowas kann auch was mit Sprachgepflogenheiten zu tun haben, denn Vorhersagen sind bekanntlich immer etwas sehr Neues in die Zukunft projiziertes, ob sowas dann zu Zeiten der „faked news“ überhaupt noch eine Bedeutung haben wird bleibt selbst für die westliche Welt manchmal fraglich. Vielleicht ist es im Zeitalter des Anthropozäns wirklich besser und einfacher hinzunehmen, dass sich ein neues „Ökosystemgefüge“ sowieso einstellen wird und wir es deshalb einfach hinnehmen sollten. Warum aber dann noch Klimaziele verfolgen, die vielleicht auch fragwürdig sind? Denn auch sie gehen zu Lasten eines ungezügelten Wirtschaftswachstums, kosten den Steuerzahlern viel Geld und können durch ein oder zwei große Vulkanausbrüche Übernacht sowieso zunichte gemacht werden? Ich denke wer die kleinen Veränderungen in der sogenannten Biosphäre nicht ernstnehmen will der kann auch bei den damit durchaus in zusammenhangstehenden größeren Veränderungen alle Augen zudrücken und schon mal „fröhlich auf dem Vulkan zu tanzen beginnen“.

Riesen-Schlangenhalsschildkröte, Chelodina expansa, – © Bruce C. Chessman
Riesen-Schlangenhalsschildkröte,
Chelodina expansa,
© Bruce C. Chessman

Literatur

Barker, D. G. & T. M. Barker (2014): The invisible Ark: In defense of captivity. – VPI Library, Boerne, TX, USA; pp. 169.

Kuchling, G. (2006): An ecophysiological approach to captive breeding of the swamp turtle Pseudemydura umbrina. In: Artner, H., Farkas, B. & V. Loehr (Eds.); Turtles: Proceedings of the International Turtle & tortoise Symposium, Vienna 2002. – Edition Chimaira 196-225 oder Abstract-Archiv.

Mandimbihasina, A. R., L. G. Woolaver, L.E. Concannon, E. J. Milner-Gulland, R. E.Lewis, A. M. R. Terry, N. Filazaha, L. L.Rabetafika & R. P. Young (2018): The illegal pet trade is driving Madagascar‘s ploughshare tortoise to extinction. – Oryx 54(2): 188-196 oder Abstract-Archiv.

Morgan, J. & S. Chng (2018): Rising internet-based trade in the Critically Endangered ploughshare tortoise Astrochelys yniphora in Indonesia highlights need for improved enforcement of CITES. – Oryx 52(4): 744-750 oder Abstract-Archiv.

Symes, W. S., F. L. McGrath, M. Rao & L. R. Carrasco (2018): The gravity of wildlife trade. – Biological Conservation 218: 268-276 oder Abstract-Archiv.

Walker, R. C. J. & T. H. Rafeliarisoa (2012): Status of the relict population of the Critically Endangered Madagascar spider tortoise Pyxis arachnoides. – Oryx 46(3): 457-463 oder Abstract-Archiv.

Walker, R. C. J., L. Luiselli & T. Rafeliarisoa (2012): Survival probability of a population of Madagascar spider tortoises (Pyxis arachnoides). – Amphibia-Reptilia 33(1): 141-144 oder Abstract-Archiv.

Walker, R. C. J. (2010): The decline of the critically endangered northern Madagascar spider tortoise (Pyxis arachnoides brygooi). – Herpetologica 66(4): 411-417 oder Abstract-Archiv.

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