Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon

Silva - 2015 - 01

Silva, T. L., L. P. Venancio & C. R. Bonini-Domingos (2015): Thesis Abstract Morphological and phylogeographic analysis of Brazilian tortoises (Testudinidae). – Genetics and Molecular Research 14(4): 18604-18606.

Thesisabstract: Morphologische und phylogeographische Analyse für brasilianische Landschildkröten (Testudinidae).

DOI: 10.4238/2015.December.28.8 ➚

Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon
Köhlerschildkröte,
Chelonoidis carbonaria,
© Hans-Jürgen Bidmon

Das Unterscheidungspotential von Biogeographie, Vokalisation, Morphologie, Zytogenetik, Hämoglobin und dem molekularen Profils von Cytochrom b als taxonomische Methoden wurde genutzt, um die brasilianischen Landschildkröten zu charakterisieren. Für Brasilien wurden zwei Landschildkröten beschrieben, Chelonoidis carbonarius und Chelonoidis denticulatus. Allerdings wurden in dieser Studie einige Tiere gefunden, die aufgrund ihrer morphologischen Charakteristika und ihrem Zeichnungsmuster nicht den typischen C. carbonarius entsprachen und diese wurden vorerst als Morphotypus 1 und 2 erfasst. Es wird ebenfalls vorgeschlagen, dass diese beiden Morphotypen nicht in ein einziges Taxon mit C. carbonarius gestellt werden sollten, sondern eher als neue Spezies angesehen werden sollten. Die Schildkröten, die untersucht wurden, stammten aus dem Nationalinstitut für Amazonian Research (INPA), dem Emilio Goeldi Museum(PA), dem Zoo von São José do Rio Preto (SP) und Araçatuba (SP) sowie der Reginaldo Uvo Leone Zuchtfarm für Wildtiere und exotische Tiere(Tabapuã, SP). Basierend auf der Auswertung der Literaturdaten zur biogeographischen Verbreitung ergab sich, dass C. carbonarius im Nordosten Brasiliens vorkommt, aber aus dieser Region fanden wir keine Untersuchungstiere in unserer Untersuchungskollektion. Andererseits wird C. denticulatus in allen Bundesstaaten Amazoniens gefunden. Zudem gibt es isolierte Individuen in den atlantischen Waldgebieten bei Espírito Santo und Rio de Janeiro sowie im mittleren Westen einer Region aus den Bundesstaaten Goiás, Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Im Nordosten kommt C. denticulatus im Bundesstaat Bahia vor. Der Morphotyp 1 hat eine größere geographische Verbreitung als C. carbonarius, möglicherweise weil einige der Literaturberichte die auf C. carbonarius verweisen fälschlicherweise diesen Morphotyp 1 meinen. Morphotyp 2 kommt nur in den Bundesstaaten Pará, Maranhão und Piauí vor. Diese biogeographischen Daten verweisen darauf, dass die Verbreitung von C. carbonarius sich dadurch erklären lässt, dass bislang alle Morphotypen unter ein einziges Taxon gestellt wurden. Verhaltensaspekte wie die Intraspezifische-Kommunikation können genauso verlässliche Anhaltspunkte zur Taxonabgrenzung und den Verwandtschaftsbeziehungen liefern wie morphologische und molekulare Daten. Die Analyse der physikalischen Charakteristika der Lautäußerungen [Grundfrequenz (Hz), Intervall zwischen den Lauten (s), Einzellautdauer (s) und Anzahl der Vokale pro Lautäußerung] zwischen C. carbonarius und Morphotype 1 zeigten statistisch signifikante Unterschiede für die Intervalle zwischen den Vokalen (s) (P = 0,0000); der Einzellautdauer (s) (P = 0,0000); der Lautfrequenz (Hz) (P = 0,0009) und der Anzahl der Laute (P = 0,0002). Die Ergebnisse zu den Lautpräferenzexperimenten mit Lautäußerungsstimulation in Bezug zur Kommunikation zwischen den beiden Spezies und in Bezug zu speziesspezifischen Lauten lieferten keine ganz schlüssigen Ergebnisse, da nur die Weibchen von C. carbonarius eine intraspezifische Bevorzugung für die Laute der eigenen Art zeigten, was anzeigen könnte, dass die Weibchen für einen möglichen Isolationsmechanismus in Bezug zur Reproduktion verantwortlich sind. Um das Vorhandensein von Unterschieden in Bezug zum Geschlechtsdimorphismus und in Bezug zur Morphologie zwischen C. denticulatus, C. carbonarius, und Morphotyp 1 zu untersuchen, nutzten wir beschreibende Statistiken zur Datenanalyse der Messdaten. Dazu wurden zwei Datengruppen analysiert zum einen ein geschlechtsspezifischer Vergleich der innerhalb der einzelnen Taxa und zum zweiten ein Vergleich geschlechtsspezifischer Vergleich zwischen den Taxa. Zur Untersuchung der interspezifischen Variation in Bezug zur Größe und Form wurde eine Korrelationsmatrix zur prinzipiellen Komponentenanalyse erstellt. Als nächstes wurde eine Faktorenanalyse durchgeführt, die die Parameter in eine Rangordnung bringt, die mehr als > 0,75 Korrelationsdifferenz zwischen den Geschlechtern zeigen. Die Ergebnisse unterstützten die Hypothese, dass es sich bei Morphotyp 1 um eine neue Art handelt, denn es zeigten sich klare Unterschiede in Bezug zur Morphologie, dem Zeichnungsmuster und beim Geschlechtsdimorphismus. Die Ergebnisse einer klassischen zytogenetischen Analyse zur Differenzierung von C. denticulatus, C. carbonarius und Morphotyp 1 ergaben keine konsistenten Daten, die als taxonomische Parameter genutzt werden könnten. Die konventionelle Giemsafärbung lieferte einen diploiden Chromosomensatz von 2n = 52 bei allen Gruppen. Die Musteranalyse der Chromosomenbanden zeigte große Ähnlichkeiten und war schwer zu reproduzieren. Zudem lag die Sensitivität zur Auftrennung der Gruppen sehr niedrig, was nahelegt, dass es sich beim Karyotyp um konservierte Charakteristika innerhalb der Testudinidae handelt. Zur Erstellung der Hämoglobinprofile für C. denticulatus, C. carbonarius und Morphotyp 1 sowie zur Darstellung der Hämoglobinfraktionen benutzte ich die saure und basische Elektrophorese. Die Ergebnisse der Hochdruckflüssigkeitschromatographie zeigten die Unterschiede zwischen den Hämoglobinfraktionen in Prozent. Zusätzlich lieferte die Elektrophorese der Polypeptidketten unter sauren und basischen Bedingungen die Globinzusammensetzung für jede Fraktion. Die aufgezeigten Unterschiede in den chromatographischen Profilen zwischen C. carbonarius und Morphotyp 1 in Bezug zu C. denticulatus zeigten, dass diese Technik als zusätzliche Methode zur Differenzierung des taxonomischen Status der Testudinidae eingesetzt werden kann. Die Gemeinsamkeiten, die im Hämoglobinprofil von C. carbonarius und Morphotyp 1 auftraten legen nahe, dass die Aufspaltung dieser Gruppen erst kürzlich erfolgte. Das Vergleichen der mitochondrialen DNS des Cytochrome b-Fragments zeigte eine Gleichverteilung (Homogenität) innerhalb der Proben von C. denticulatus und den in der Literatur publizierten Sequenzen, was auf eine geringe genetische Variabilität innerhalb dieser Spezies hindeutet. Im Gegensatz dazu zeigten die Sequenzen der mitochondrialen DNS der Cytochrom b-Fragmente von C. carbonarius und Morphotyp 1 sowie 2 klare Unterschiede zu den in der Literatur publizierten Datensätzen was andeutet, dass es sich hier um eine variable genetische Struktur handelt. Das kann darauf beruhen, dass diese taxonomischen Aufteilungen innerhalb von C. carbonarius bislang in der Literatur unberücksichtigt blieben. Die phylogenetischen Analysen lieferten keine genauen Signale zur Differenzierung von C. carbonarius, Morphotyp 1 und Morphotyp 2. Allerdings zeigte diese Analyse eine klare Differenzierung für C. denticulatus, was darauf hinweist, dass die Aufspaltung von C. carbonarius und Morphotyp 1 sowie 2 erst vor kurzem erfolgte und die Aufspaltung zwischen C. denticulatus und C. carbonarius viel weiter zurückliegt. Unter Anbetracht der Probleme, die die Nutzung der Cytochrom b-Sequenz in phylogenetischen Studien mit sich bringt, ist es nicht unbedingt notwendig, dass die beobachtete Polytomie die für C. carbonarius, Morphotyp 1 und 2 auftrat, gegen die Hypothese spricht, dass es sich dabei um getrennte Arten handelt. Es ist möglich dass die gemeinsame Auswertung der morphologischen, verhaltens- und Hämoglobinprofildaten in einer gemischten Matrix mit den molekularen Daten eine Auftrennung der Morphotypen 1 und 2 als monophyletische Spezies ermöglicht. Eine solche Analyse würde aber noch zusätzliche Daten von externen Gruppen (Taxa) erfordern, damit eine robuste phylogenetische Analyse mit größerer taxonomischer Trennschärfe durchgeführt werden könnte. Unter Anbetracht der Unterschiede im biogeographischen Verteilungsmuster der Vokalisation, der speziesspezifischen Lautpräferenz und der Morphologie die in dieser Untersuchung festgestellt wurden, schlage ich vor, das Morphotyp 1 als eine neue Art angesehen werden sollte. Die Daten zum Arterhaltungsstatus der natürlichen Landschildkrötenpopulationen in Brasilien sollten überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die anhaltende Bedrohung durch den Menschen. Bislang gibt es weder öffentliche noch private Pläne zur Erhaltung der Landschildkrötenpopulationen. Deshalb ist es gut möglich, dass diese Tiere einen höheren Bedrohungsstatus haben als dies aus der verfügbaren Literatur zu ersehen ist.

Galerien