Waldbachschildkroete, Glyptemys insculpta, adultes Weibchen in Freilandanlage - © Hans-Jürgen Bidmon

Saumure - 2007 - 01

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Saumure, R. A., T. B. Herman & R. D. Titman (2007): Effects of haying and agricultural practices on a declining species: The North American wood turtle, Glyptemys insculpta. – Biological Conservation 135(4): 565-575.

Der Einfluss der Heuernte und anderer landwirtschaftlicher Praktiken auf eine zurückgehende Spezies: Die nordamerikanische Waldbachschildkröte, Glyptemys insculpta.

DOI: 10.1016/j.biocon.2006.11.003 ➚

Waldbachschildkröte, Glyptemys insculpta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Waldbachschildkröte,
Glyptemys insculpta,
Jungtier in Freilandanlage
© Hans-Jürgen Bidmon

In Nordamerika, hat die Entwaldung, wenn man sie über die Zeit und Fläche erfasst, zu einem 94 %igen Rückgang der Waldflächen in nur 360 Jahren geführt. Trotz dieses enormen Ausmaßes der Landschaftsveränderung ist der Fortschritt in der Landwirtschaft so gravierend in den modernen Gesellschaften, dass deren Einflussnahmen weitgehend unterschätzt werden. Wir untersuchten den Einfluss der derzeitigen landwirtschaftlichen Praktiken auf eine von Störungen beeinflusste Spezies im südlichen Quebec, Kanada. Von 30 Waldbachschildkröten (Glyptemys insculpta), die per Radiotelemetrie überwacht wurden, verstarben 20 % in Folge von Verletzungen durch landwirtschaftliche Aktivitäten. Anthropogene Mortalitätsraten, die für adulte und juvenile 1998 kalkuliert wurden, betrugen 0,10 und 0,18 für die jeweilige Altersklasse. Für 1999 lagen die Werte bei 0,13 und 0,17. Von den überlebenden Schildkröten waren sehr viele durch landwirtschaftliche Maschinen verletzt. Die sublethalen Verstümmelungsraten lagen für adulte Tiere bei 90 ±3 % in beiden Untersuchungsjahren, wohingegen die der Jungtiere eine Häufigkeit von 57 % aufwies. Es wurde ein Carapaxverstümmelungsindex errechnet, um die Verteilung und den Schweregrad der Verletzungen zu quantifizieren. Nur zwischen adulten Männchen und juvenilen Carapaxverletzungen ergaben sich signifikante Unterschiede. Adulte hatten signifikant mehr Carapaxverletzungen und Amputationen von Gliedmaßen auf ihrer rechten Körperseite. Diese bilaterale Asymmetrie der Verletzungen ist das Ergebnis aus der Kombination eines bestimmten Fluchtverhaltens der Schildkröten und den üblichen Erntetechniken. Wir wiederholen hier nochmals die Forderung an die Agrarwissenschaftler, dafür zu sorgen, dass die Schnitthöhe von Scheibenmähern auf 100 mm angehoben wird, dies würde sogar den Ernteertrag steigern, die Maschinenbelastung reduzieren und die Bodenerosion abschwächen. Nebenbei würde diese Veränderung der Schnitthöhe sehr wahrscheinlich die Schildkrötenmortalität und Verstümmelungen reduzieren, da die Carapaxhöhe der Waldbachschildkröten weniger als 87 mm beträgt. Ohne diese Änderungen in den landwirtschaftlichen Erntetechniken wird diese Population aussterben.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine gute Studie, die wirklich die Ursachen beim Namen nennt. Allerdings, was mich bei diesen Studien immer erstaunt, ist ihre späte Publikation, denn um solche klaren Datensätze auszuwerten, braucht man doch nicht sieben Jahre von Ende 1999 bis 2006 um eine Publikation einzureichen, wobei es mich wundern sollte, wenn die Wissenschaftler selbst die Publikation der Daten ohne interne Gründe so verschleppt haben sollten. Bis dahin kann die Population ja längst erloschen sein! Ist der politische Druck durch Verbandslobbyisten direkt oder indirekt über Fördermittel wirklich so groß, dass es immer noch zu solchen Verschleppungen kommt? Stellen Sie sich einmal vor, ein Onkologe würde so arbeiten, einen Tumor klar diagnostizieren und dann nach sieben Jahren, falls der Patient noch lebt, die Empfehlung zur Einleitung einer Chemotherapie aussprechen, das wäre doch grotesk, oder? Ich glaube, darüber sollten auch Umweltpolitiker ernsthaft nachdenken. Aber bei denkenden Politikern (siehe EU und Deutschland) ist man ja nie sicher, ob für sie auch die Gesetze der Logik gelten, denn wer ernsthaft über die Berechnung eines Nutzlast-CO2-Index dafür sorgen will, dass Geländewagen für die private Nutzung (in den meisten sitzen auch nicht mehr als 2 Personen) auch weiterhin trotz höheren Ausstoßes fast bessere CO2-Werte bescheinigt bekommen sollen, als Kleinwagen mit absolut gesehen weniger CO2-Emission, der muss sich ernsthaft fragen, ob die Natur und das Weltklima sich auch so leicht durch faule Kompromisse übertölpeln lassen, wie so mancher Politiker von den Lobbyisten der KFZ-Produzenten?

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