Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Juergen-Bidmon

Rollinson - 2012 - 01

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Rollinson, N., R. G. Farmer & R. J. Brooks (2012): Widespread reproductive variation in North American turtles: temperature, egg size and optimality. – Zoology 115(3): 160-169.

Weitverbreitete Reproduktionsschwankungen bei nordamerikanischen Schildkröten: Temperatur, Eigröße und Optimalität.

DOI: 10.1016/j.zool.2011.10.005 ➚

Waldbachschildkröte, Glyptemys insculpta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Waldbachschildkröte,
Glyptemys insculpta,
Jungtiere in Freilandanlage
© Hans-Jürgen Bidmon

Der Theorie nach sollte es eine optimale Nachkommengröße geben, die ein Gleichgewicht zwischen optimaler Nachkommengröße (Geburtsgröße) und der Anzahl an Nachkommen darstellt. Allerdings kann in wild lebenden Populationen vieler Arten die Eigröße von Jahr zu Jahr aus bislang unbekannten Gründen schwanken. Hier stellen wir die Hypothese auf, dass die Schwankungen zwischen den Jahren bei den durchschnittlichen Eigrößen der Populationen von Wasserschildkröten zum Teil eine Konsequenz ihrer gonadalen Sensitivität gegenüber den saisonalen Temperaturen darstellen. Dabei handelt es sich prinzipiell um einen physiologisch-funktionellen Mechanismus der zur Synchronisation der Reproduktion mit der dafür optimalen Jahreszeit dient. Als Teil dieses Prozesses modifizieren die Temperaturschwankungen zwischen den einzelnen Jahren das Ausmaß der (Ei-) Follikelreifung, was dann zu den beobachteten Schwankungen in den durchschnittlichen Eigrößen zwischen den Jahren führen könnte (wobei beides individuelle Schwankungen und Schwankungen auf Populationsniveau betroffen wären). Um diese Hypothese zu testen, nutzten wir einen informationstheoretischen Ansatz, um die Beziehung zwischen durchschnittlicher Eimasse und der während der distinkten Perioden (von den Tieren) erfahrenen Temperatur für drei wild lebende Schildkrötenspezies (Chrysemys picta, Chelydra serpentina, Glyptemys insculpta) über 12 aufeinander folgende Jahre zu modellieren. Weil die Follikelreifung bei C. serpentina und G. insculpta nur im Herbst stattfindet, während sie bei C. picta sowohl im Herbst wie auch im Frühjahr erfolgt, erwarteten wir, dass nur die Herbsttemperaturen einen Einfluss auf die Eigrößenschwankungen bei C. serpentina und G. insculpta haben, während bei C. picta sowohl die Herbst- als auch die Frühjahrstemperaturen mit der Eigröße korreliert sein sollten. Diese Vorhersagen bestätigten sich. Wir verglichen dann die zwischen den Jahren erfolgten Schwankungen zwischen den Ei- und Gelegegrößen der Weibchen jeder Art, um zu untersuchen, ob die Variationen immer noch im Einklang zu einigen Grundsätzen der Theorie bezüglich einer optimalen Eigröße stehen. Bei allen drei Spezies fanden wir, dass die Gelegegrößen stärker schwanken als die Eigrößen und zwar trotz der Temperatur-induzierten Schwankungen bei der Eigröße, wobei dieses Muster relativ hoher Gelegegrößenschwankungen den theoretischen Vorhersagen entspricht. Zukünftige Arbeiten sollten die Rolle von direkten oder indirekten (z.B. ernährungsbedingte Einflüsse) untersuchen, die in Zusammenhang mit den Temperatureffekten auf die Eigrößen unter natürlichen Gegebenheiten stehen könnten.

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit, so gut sich auch das Abstract anhören mag, wirft noch einige Fragen auf. Allerdings zeigt sie sehr schön, wie wichtig auch solche physiologischen Daten sein können wie das Wissen über den Zeitpunkt der Eireifung. Denn daraus wird ja klar, dass zum Beispiel die herbstlichen klimatischen und eventuell auch Ernährungsbedingungen für Arten wie Waldbachschildkröten und Schnappschildkröten in Bezug auf den Reproduktionserfolg im Folgejahr wesentlicher sind als vielleicht die Frühjahrsbedingungen, die hier vielleicht lediglich noch einen Einfluss auf den Ablagezeitpunkt haben könnten. Im Gegensatz dazu kann man bei C. picta durchaus damit rechnen, dass ein für die Tiere schlechter Herbst durch ein gutes Frühjahr ausgeglichen werden könnte. Solche Fakten lassen sich dann eigentlich auch gut bei der Haltung berücksichtigen und eventuell auch im Sinne eines guten Nachzuchterfolgs beeinflussen. In diesem Sinne sei hier auch noch einmal an die Arbeit von Dubois et al. (2008) erinnert, die ja gerade die Temperaturoptima adressiert.

Literatur

Dubois, Y., G. Blouin-Demers & D. Thomas (2008): Temperature selection in wood turtles (Glyptemys insculpta) and its implications for energetics. – Ecoscience 15(3): 398-406 oder Abstract-Archiv.

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