Waldbachschildkroete, Glyptemys insculpta, adultes Weibchen in Freilandanlage - © Hans-Jürgen Bidmon

Refsnider - 2015 - 01

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Refsnider, J. M., A. M. Reedy, D. A. Warner & F. J. Janzen (2015): Do trade-offs between predation pressures on females versus nests drive nest-site choice in painted turtles? – Biological Journal of the Linnean Society 116(4): 847-855.

Sind die Abwägungen in Bezug auf den Beutegreiferdruck zwischen Nestwanderung der Weibchen und Nistplatz maßgeblich für Zierschildkröten?

DOI: 10.1111/bij.12671 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Die Vermeidung Beutegreifern zum Opfer zu fallen hat einen starken Einfluss auf das Reproduktionsverhalten, denn sich reproduzierende Individuen müssen das Risiko selbst Beutegreifern zum Opfer zu fallen gegen das Risiko, das die Nachkommen erbeutet werden, ausbalancieren. Bei vielen Süßwasserschildkröten nimmt das Risiko der Nestplünderung mit zunehmender Entfernung vom Wasser ab, wohingegen das Risiko erbeutet zu werden für die Weibchen mit zunehmender Entfernung vom Wasser zunimmt. Um herauszufinden, ob der Beutegreiferdruck einen Einfluss auf die Distanz zwischen Wasser und Nistplatz, an dem die Weibchen ablegen oder die Distanz, die die Jungen zum Wasser zurücklegen müssen, untersuchten wir zwei Populationen von Zierschildkröten. Unter der Verwendung von Modellabschätzungen fanden wir heraus, dass die Überlebensrate der adulten Weibchen sehr hoch lag und nicht durch die zurückzulegende Entfernung vom Wasser beeinflusst war. Auch das Ausmaß der Nestplünderungen korrelierte nicht mit der Entfernung der Nistplätze vom Wasser, aber die Überlebensrate der Nester lag in beiden Populationen sehr niedrig und lag bei einer der Populationen konkret nur bei 1,2 %. Unsere Daten lassen vermuten, dass die Nistplätze nicht vorhersagbar sicher vor Nesträubern sind. Folglich müssen die Schildkröten versuchen die Nestüberlebenschancen dadurch zu erhöhen, dass sie die Nester über ein weites Distanzspektrum vom Wasser ablegen, denn jede Distanz ist fast gleich risikoreich für die Embryonen im Nest während keine der Entfernungen besonders risikoreich für die Weibchen war. Wir vermuten, dass andere Faktoren wie zum Beispiel geeignete Inkubationstemperaturen für die Nistplatzwahl ausschlaggebend sind oder die Überlebensfähigkeit der Jungen nach dem Schlupf die Platzwahl mitbestimmt, und dass diese Faktoren eine größere Rolle für Zierschildkröten spielen als der Beutegreiferdruck.

Waldbachschildkröte, Glyptemys insculpta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Waldbachschildkröte,
Glyptemys insculpta,
adultes Weibchen in Freilandanlage
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dahingehend eine schöne Arbeit, weil sie zeigt, dass der Beutegreiferdruck auf die Weibchen nicht wirklich einen Einfluss auf die Nistplatzwahl hat. Ob das wirklich bei anderen Schildkrötenarten auch der Fall ist möchte ich hier mal offen lassen und auch mit einem Fragezeichen versehen. Klar festzuhalten ist wohl, dass die Nistplatzwahl nach möglichst optimalen Inkubationstemperaturen entscheidend ist, denn davon hängt letztendlich das Überleben einer Population wirklich ab, denn ein Nistplatz der sicher vor Beutegreifern wäre, aber keine optimale Inkubationstemperatur bieten würde, wäre genauso tragisch für das Überleben einer Population, da nichts schlüpfen könnte. Hier kann also nur ein Selektionsdruck hin zu optimalen Inkubationstemperaturen bestehen und das zeigen auch etliche andere Studien (siehe Hughes et al. 2009; Mullins & Janzen 2006; Riley et al. 2006), denn nur das garantiert, dass zumindest aus den von den Beutegreifern übersehenen Nestern Nachwuchs schlüpfen kann, selbst dann, wenn das bei einer langlebigen Art nur alle 5 oder 10 Jahre mal der Fall sein sollte.
Zudem stellt sich mir hier die Frage, ob nicht die hohe Überlebensrate der Weibchen bei diesen Wanderungen nicht auch durch ihre Verhaltensanpassungen bedingt ist, die sie gegenüber möglichen Beutegreifern entwickeln? Denn letzteres würde erklären, warum die Modellabschätzungen, die solche Anpassungen (weil zurzeit noch unbekannt) nicht berücksichtigen, nach einer Abschätzung nach dem Zufallsprinzip keine Unterschiede beziehungsweise Korrelationen finden.
Denn etliche Studien deuten ja an, dass die Weibchen zum einen verkehrsreiche Straßen überqueren, um ihre geeigneten Nistplätze zu erreichen und dabei sehr wahrscheinlich sehr oft überfahren werden, weil sie sich evolutiv bzw. selektionsmäßig so schnell daran nicht anpassen konnten. Mal zynisch ausgedrückt für langlebige Spezies dürfte es schwierig sein, sich den während der letzten 100-150 Jahre umgesetzten Errungenschaften des modernen
Homo sapiens angepasst zu haben. Siehe dazu Aresco (2005), Langen et al. (2013).

Literatur

Aresco, M. J. (2005): Mitigation measures to reduce highway mortality of turtles and other herpetofauna at a north Florida lake. – Journal of Wildlife Management 69(2): 549-560 oder Abstract-Archiv.

Hughes, G. N., W. F. Greaves & J. D. Litzgus (2009): Nest-site Selection by Wood Turtles (Glyptemys insculpta) in a Thermally Limited Environment. – Northeastern Naturalist 16(3): 321-338 oder Abstract-Archiv.

Langen, T, A., K. E. Gunson, C. A. Scheiner & J. T. Boulerice (2013): Road mortality in freshwater turtles: identifying causes of spatial patterns to optimize road planning and mitigation. – Biodiversity and Conservation 21(12): 3017-3034 oder Abstract-Archiv.

Mullins, M. A. & F. J. Janzen (2006): Phenotypic effects of thermal means and variances on smooth softshell turtle (Apalone mutica) embryos and hatchlings. – Herpetologica 62(1): 27-36 oder Abstract-Archiv.

Riley, C. M., R. V. Anderson & S. E. Jenkins (2005): Nesting habitat of the softshell turtle, Trionyx mutica, below lock and dam 19, upper Mississippi River. – Journal of Freshwater Ecology 20(3): 513-517 oder Abstract-Archiv.

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