Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer

Mack - 2018 - 01

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Mack, J. S., H. E. Schneider & K. H. Berry (2018): Crowding Affects Health, Growth, and Behavior in Headstart Pens for Agassiz's Desert Tortoise. – Chelonian Conservation and Biology 17(1): 14-26.

Überbesetzung hat Auswirkungen auf die Gesundheit, das Wachstum und das Verhalten in Gehegen für Headstart-Programme bei der Wüsten-Gopherschildkröte.

DOI: 10.2744/CCB-1248.1 ➚

Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer
Kalifornische Gopherschildkröte,
Gopherus agassizii,
© H. Bradley Shaffer

Weltweit nutzen Wissenschaftler Headstart-Programme zur Populationsaufstockung bei gefährdeten Reptilien oder ausgedünnten Populationen. Dabei sind aber nicht alle Bemühungen von Erfolg gekrönt. Bei der gefährdeten Wüstengopherschildkröte (Gopherus agassizii) gibt es ein kritisches Problem in Bezug zur Populationserholung nämlich die äußerst geringe Rate an Jungschildkröten, die in die Adultpopulation hineinwachsen und auch dieses Problem versucht man mit Headstartprogrammen zu lösen. Wir untersuchten deshalb 8 Kohorten von 1 bis 8-jährigen Tieren in einem Headstartprogramm auf der Edwards Air Force Basis in Kalifornien in Bezug auf ihre Gesundheit, ihr Wachstum und ihr Verhalten. Zudem untersuchten wir die Kapazität der Headstartgehege. Von 148 juvenilen Schildkröten deren Gesundheitsstatus untersucht wurde zeigten 99.3 % einen Körperkonditionsindex der niedriger als der Sollkonditionsindex lag, 14.9 % waren lethargisch und reagierten kaum; 59.5 % hatten eine gewölbte Wirbelsäule in Assoziation mit Höckerbildung, 29.1 % zeigten Verletzungen durch Ameisen und 14.2 % hatten moderate bis schwere Verletzungen an den Beinen oder am Panzer. Die Lebenszeitkörperzuwachsrate für diese 1 bis 8-jährigen Schildkröten waren ungefähr zweimal niedriger als jene Zuwachsraten die für Wildtiere beschrieben sind. Die Schildkröten in den älteren Kohorten hatten aber höhere Wachstumsraten und es zeigte sich in Modellberechnungen, dass eine hohe Populationsdichte in den Gehegen und das gemeinsame Benutzen der Höhlen die Zuwachsraten negativ beeinflusst. Die Schildkrötendichte in den Gehegen (205-2042/ha) lag 350-3500mal höher als die Durchschnittspopulationsdichte die man in wildlebenden Populationen findet (< 1/ha) bei Schildkröten gleicher Größe. Die häufigste verfügbare Nahrung bestand aus fremden einjährigen Gräsern, die ernährungsphysiologisch ungeeignet waren, um damit Wachstum zu realisieren. Wir schließen daraus, dass die Headstartgehege zu klein sind, zu wenige nutzbare Unterschupfe bieten und dass sie insbesondere nicht die notwendige Biomasse an geeigneten Kräutern nachwachsen lassen um die darin enthaltene Schildkrötenheadstartpopulation nachhaltig zu versorgen. Zusätzliche Faktoren die zukünftig bei der Anlage von Reptilienheadstartgehegen mit beachtet werden sollten beziehen sich auf die geeignete Vegetationsbedeckung, die Nahrungsressourcen, eine ausreichende Menge keimfähiger Samen im Boden und die geeignete Boden-(Substrat)-Zusammensetzung.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine Arbeit die wieder einmal auf ein, man möchte schon sagen altbekanntes Phänomen aufmerksam macht: Nämlich die Besatzdichte! Wir sollten durchaus realisieren, dass es zwischen einem Leben in freier Wildbahn und der selbst gut gemeinten Gefangenschaftshaltung häufig Unterschiede gibt die sich auf die gehaltenen Tiere negativ auswirken können. Hier bei diesem Beispiel eines Reptils das ein extremes Wüstenbiotop besiedelt ist es wohl an erster Stelle die Nahrungsverfügbarkeit, da die Tiere in den zu kleinen Gehegen eben nicht mehr das Futter auswählen können welches sie für eine optimale Ernährung benötigen. Genauso kann eine zu hohe Besatzdichte zu sozialem Stress zwischen den Individuen führen der sich negativ auf das Wachstum auswirkt. Letztendlich kann es selbst bei den sogenannten Populationsaufstockungen in freier Wildbahn zu solchen Problemen kommen, wenn man nicht vorher überprüft hat ob genug geeignetes Futter und geeignete Mikrohabitate für die zusätzlich eingebrachten Schildkröten vorhanden sind. Siehe dazu auch: Bertolero et al., 2007, Bidmon, 2009; Hazard et al., 2010; Hazard et al., 2009; Newton, 20011; Richardson & Stiling, 2019 und die entsprechenden Kommentare.

Literatur

Bertolero, A., D. Oro & A. Besnard (2007): Assessing the efficacy of reintroduction programmes by modelling adult survival: the example of Hermann's tortoise. – Animal Conservation 10(3): 360-368 oder Abstract-Archiv.

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2010): Nutritional Quality of Natural Foods of Juvenile and Adult Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Calcium, Phosphorus, and Magnesium Digestibility. – Journal of Herpetology 44(1): 135-147 oder Abstract-Archiv.

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2009): Nutritional Quality of Natural Foods of juvenile Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Energy, Nitrogen, and Fiber Digestibility. – Journal of Herpetology 43(1): 38-48 oder Abstract-Archiv.

Newton, A. C. (2011): Implications of Goodhart's Law for monitoring global biodiversity loss. – Conservation Letters 4(4): 264-268 oder Abstract-Archiv.

Richardson, J. C. & P. Stiling (2019): Gopher tortoise herbivory increases plant species richness and diversity. – Plant Ecology 220(3): 383-391 oder Abstract-Archiv.

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