Stachelrand-Gelenkschildkröte, Kinixys erosa, – © John Zoran

Luiselli - 2008 - 01

Luiselli, L., F. M. Angelici, L. Rugoer, G. C. Akani, E. A. Eniang, N. Pacini & E. Politano (2008): Negative density dependence of sympatric Hinge-back Tortoises (Kinixys erosa and K. homeana) in West Africa. – Acta Herpetologica 3(1): 19-33.

Eine negative Dichteabhängigkeit bei sympatrischen Gelenkschildkröten (Kinixys erosa und K. homeana) in West Afrika.

DOI: 10.13128/Acta_Herpetol-2482 ➚

Stutz-Gelenkschildkröte, Kinixys homeana, – © Ivo Ivanchev
Stutz-Gelenkschildkröte,
Kinixys homeana,
frisst frische Rapsblätter
© Ivo Ivanchev

Eine Reihe von 59 Transekt-Erhebungen zur Populationsdichte wurde in ausgewählten Feuchtwaldhabitaten entlang der Küste Westafrikas durchgeführt, um die Dichte und die Verteilung der afrikanischen Gelenkschildkröten (Kinixys homeana und K. erosa) zu analysieren. Die Daten dieser mit der Linientransktmethode erhobenen Befunde wurden dann in ein einfaches (Computer) Modell eingegeben, um eine Detektionsfunktion zu erstellen. Die erhobenen und mit dem Modell analysierten Parameter ergaben eine ausführliche Charakterisierung der Verteilung der Schildkröten, die sich als sehr nützlich erwiesen, um Hypothesen über die Populationsdichten der Schildkröten zu formulieren. Die Linientransektdaten wurden einmal in Bezug auf die Distanz ausgewertet, wobei Serienschlüssel und Serienanpassungen benutzt wurden: Die Uniformfunktion, die I-Parameter-Halbnormalfunktion und die 2-Parameter-Hazard(Gefährdungs)-Ratenfunktion wurden dabei als Schlüsselfunktionen angenommen; die Cosinserien, einfache Polynominale und die Hermite-Polynominale wurden als Serienerweiterungen gewählt. Die Detektionsfunktion wurde dann separat für Kinixys homeana und K. erosa ermittelt, und für jedes Untersuchungsareal wurden die Daten nach Transekten gruppiert, wobei alle Kombinationen der oben angegebenen Schlüsselfunktionen und Serienerweiterungen berücksichtigt wurden. Das Akaike Informations Criterion (AIC) wurde für jedes Kandidatenmodell erstellt und für die Modellselektion benutzt. Die beste Modelldetektionsfunktion war für beide der untersuchten Spezies die Uniform-Funktions ohne Serienerweiterung. Die Modellergebnisse zeigten, dass die Dichte der beiden Spezies in einer inversen Beziehung stand und zwar innerhalb einer lokalen Skala und dass diese Befunde komplementär waren, wenn man sie über die gesamte Untersuchungsregion betrachtete (eine etwas komplizierte Datendarstellung!), so dass die Dichte für eine der beiden Spezies von West nach Ost zunahm, während die Dichte für die andere Art in gleicher Richtung abnahm. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Vergleich der Populationsdichteschätzungen zwischen den beiden Schildkrötenarten mit einer früher aufgestellten Hypothese übereinstimmt, die von einer Inter-Spezies-Kompetition und in Konsequenz von einer Aufteilung der Ressourcen ausgeht. Es mag auch noch andere Gründe zur Erklärung des beobachteten Verteilungsmusters geben, dafür könnte die niedrige Produktivität von Regenwaldhabitaten sowie eine länger anhaltende Störung (Entnahme von Tieren) durch den Menschen zählen.

Stachelrand-Gelenkschildkröte, Kinixys erosa, – © John Zoran
Stachelrand-Gelenkschildkröte,
Kinixys erosa,
© John Zoran

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dieses zugegeben etwas sehr kompliziert formulierte Abstract, das sicher nur dadurch zustande kam, weil hier mehr Gewicht auf die Methoden und Computermodelle gelegt wurde als auf die eigentlichen Ergebnisse. Liest man die Arbeit, erfährt man eigentlich eine ganze Menge bedenkenswerter Information über die Hintergründe und wie sich hier zwei gemeinsam in den gleichen Habitaten auftretenden Spezies zueinander verhalten. Wie die Autoren selbst in ihrer Einleitung herausstellen, handelt es sich dabei eigentlich um seltene Fälle, da man ein solch enges sympatrisches Zusammenleben unter Nutzung fast gleicher Nahrungsressourcen selten findet, weil meist eine Art völlig aus der jeweiligen Lokalität herausgedrängt wird. Wie die Autoren zeigen, scheint es dazu auch Ansätze bei K. homeana und K. erosa zu geben, da die einzelnen Lokalhabitate eben doch Unterschiede zumindest von West nach Ost aufweisen, die dazu führen, dass immer dort, wo die Populationsdichte der einen Spezies hoch ist, die der anderen sehr niedrig ist und es eigentlich in keinem der Lokalhabitate zu der Situation kommt, dass beide Spezies gleiche Populationsdichten zeigen. Ich bin kein Systematiker und will auch erst gar nicht über Verwandtschaftsbeziehungen der beiden Arten spekulieren, aber würde man nicht solche Verhältnisse immer dort erwarten, wo gerade aus einer Spezies zwei entstehen oder entstanden sind, und die, weil es ihnen die Umweltbedingungen noch erlauben, sympatrisch vorkommen können? Eine völlige Separierung der Arten würde dann nicht unbedingt direkt von der zwischenartlichen Konkurrenz bedingt, sondern würde erst dann eintreten, wenn sich die Umweltbedingungen wie z.B. die Luftfeuchte so verändern würde, dass nur noch eine der beiden entstanden Spezies sich dieser neuen abiotischen Veränderung anpassen und damit überleben kann. Denn wer sagt denn, dass alles nur von Konkurrenzkämpfen zwischen den Arten abhängt. Es mag, wenn man mal nachdenkt, sogar viele Beispiele dafür geben, dass die gemeinsame Koexistenz am Anfang sogar überwiegt und erst andere Faktoren wie Klimaveränderungen, Vegetationsveränderungen und geologisch bedingte Veränderungen letztendlich zu einer geographischen Trennung von Arten geführt haben, wobei natürlich auch die eine oder andere, deren Anpassungspotential zu gering war, ganz ausgestorben sein mag. Ich finde solche Arbeiten und ihre durchaus interessanten Daten regen eigentlich dazu an, sich frei zu machen von alteingesessen Denkschemata von innerartlicher und zwischenartlicher Konkurrenz. Die gibt es sicher, aber das ist kein Grund dafür, dass es nicht auch andere Möglichkeiten gibt (man sollte nicht in jedem Fall von seiner eigenen Spezies auf andere schließen). Letzteres sollten Gutachter (reviewer) mal überdenken, denn diese Arbeit liest sich so, als seien die Autoren an einigen Stellen nicht ganz frei in ihrer Interpretation der Datenlage gewesen. Sicher widersprechen wir uns nicht gern, aber sollten wir, wenn es um die Natur geht, auch akzeptieren, dass es eigentlich keine Widersprüche gibt, sondern nur Realitäten? Denn letztendlich ist es ja nicht die Natur, die sich widerspricht, sondern nur wir selbst mit unseren mehr oder weniger ausgereiften abstrakten Interpretationsversuchen.

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