Schmuck-Dosenschildkröte, Terrapene ornata, – © Devin Edmonds

Cureton - 2013 - 01

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Cureton, J. C., M. Janis, W. I. Lutterschmidt, C. P. Randle, D. C. Ruthven & R. Deaton (2013): Effects of urbanization on genetic diversity, gene flow, and population structure in the ornate box turtle (Terrapene ornata). – Amphibia-Reptilia 35(1): 87-97.

Auswirkungen der Urbanisierung auf die genetische Diversität, den Genfluss und die Populationstruktur bei der Westlichen Dosenschildkröte (Terrapene ornata).

DOI: 10.1163/15685381-00002930 ➚

Carolina-Dosenschildkröte, Terrapene carolina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Carolina-Dosenschildkröte,
Terrapene carolina,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die großräumigen Rückgänge bei den nordamerikanischen Dosenschildkrötenpopulationen (Terrapene spp.) werden meist der Habitatzerstückelung als Folge der Landschaftsbesiedlung zugeschrieben. Wir verglichen daher die Mikrosatellitenmarker und Sequenzen mitochondrialer Kontrollregionen von Schmuck-Dosenschildkröten (Terrapene ornata) bei zwei Populationen (einer natürlichen und einer innerhalb eines zersiedelten, urbanen Habitats), um zwei Hypothesen zu überprüfen. Wir stellten die Hypothese auf, dass urbane Populationen von T. ornata unter einem genetischen Flaschenhals leiden, der durch den Tod auf Straßen und dadurch, dass Straßen als Barrieren den Genfluss zwischen den Populationen unterbrechen, verursacht wird (Genpoolfragmentierung). Allerdings zeigten beide Populationen eine vergleichbare Diversität (Vielfalt) bei den Allelen und bei der Heterozyosität bei acht bzw. sieben der 12 untersuchten Mikrosatellitenloci, was zeigt, dass in beiden Populationen eine heterozygote Defizienz (Inzucht) vorlag. Die Anzahl der mitochondrialen Kontrollregionhaplotypen war bei der urbanen Population annähernd viermal höher als bei der natürlichen Population, wobei es nur einen Haplotyp gab, der in nennenswerter Häufigkeit in beiden Populationen vorlag. Wir konnten derzeit keinen schlüssigen Nachweis für einen genetischen Flaschenhals für die urbane Population erbringen, was letztendlich unsere erste Hypothese unzutreffend erscheinen lässt. Wir fanden eine schwach angedeutete Differenzierung (Auseinanderentwicklung) auf den zwei gegenüberliegenden Seiten einer großen Fernstraße, aber auch keinen klaren Anhaltspunkt für eine Populationsstrukturierung, was auch unsere zweite Hypothese zu widerlegen scheint. Daher zeigt diese Studie, dass diese Populationen von T. ornata, die hier durch eine moderate Straßenmortalität beeinträchtigt werden, derzeit noch eine hohe genetische Variabilität aufweisen, wobei eine moderate Inzuchtrate vorliegt und eine schwache Differenzierung zu erkennen ist, aber dass es zu keinem genetischen Flaschenhals oder zur genetischen Clusterbildung (Aufspaltung) gekommen ist. Wir vermuten, dass das primär mit der hohen Generationsdauer (Langlebigkeit) zusammenhängt, die einen positiven Aspekt dieser Lebensform darstellt.

Schmuck-Dosenschildkröte, Terrapene ornata, – © Devin Edmonds
Schmuck-Dosenschildkröte,
Terrapene ornata,
© Devin Edmonds

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier zeigt sich ganz klar, dass Langlebigkeit zwar Vorteile hat, weil eben durch die lange Lebensdauer jene adulten Schildkröten, die noch aus der Zeit vor der Landschaftszersiedlung stammen, über ihre Lebenszeit hinweg noch ihre ursprüngliche genetische Vielfalt zeigen. Da sich Menschen jedoch oft mit der Langzeitbetrachtung von biotischen und abiotischen Abläufen schwer tun, da man ja relativ schnell zu vergessen scheint, wie es vor seiner eigenen Lebenszeit mal war, fällt es uns schwer die Langzeitfolgen unseres Tuns einzuschätzen. Hier, bei dieser Studie hätte man wahrscheinlich die gemachten Hypothesen viel leichter belegen können, wenn man sich darauf konzentriert hätte, nur die Schlüpflinge der fragmentierten urbanen Population zu untersuchen, denn die sind es, die von dem durch die Zersiedlung verursachten reduzierten Genfluss am ehesten betroffen sind. Denn, dass solche Maßnahmen zu genetischen Flaschenhälsen führen, ist mehrfach belegt und nur eine Frage der Zeit (Kuo & Janzen 2004; Echelle et al. 2010). Deshalb möchte ich das Augenmerk auf eine für Säugetiere durchgeführte Studie lenken, die sehr schön zeigt, wie Fragmentierung zum verzögerten Aussterben der Arten führt (Gibons et al. 2013, siehe auch Hanski et al. 2013; Schnell et al. 2013). Leider ist letzteres bislang bei Schildkröten kaum untersucht, aber man sollte nicht den Fehler machen anzunehmen, dass das für sie nicht auch zutreffen könnte.
Allerdings lässt mich bei dieser Studie insbesondere der Befund stutzig werden, dass in der urbanen Population viermal mehr mitochondriale Haplotypen als in der natürlichen Population vorliegen. Da stellt sich doch die Frage, wo kommen die her? Heißt das vielleicht, dass in einer besiedelten Landschaft auch Schildkrötenliebhaber leben, die sich mal von etwas weiterweg die eine oder andere Schildkröte für den Garten mitbringen, die dann vielleicht auch mal entweicht und sich mit den ortsansässigen Dosenschildkröten vermischt? Wenn dem so wäre, hätte man hier einen praktikablen, wenn auch unbeabsichtigten, Weg gefunden, wie in fragmentierten Landschaften die genetische Variabilität erhalten werden kann. So etwas sollte zwar nicht unkontrolliert geschehen, da das Einschleppen von Krankheitserregern sicher auch ein hohes Aussterbensrisiko in sich birgt, aber das veterinärmedizinisch überwachte und kontrollierte Einbringen von Tieren zur Erhöhung der genetischen Variabilität kann sich durchaus vorteilhaft auswirken (siehe Kommentare zu Stiebens et al. 2013, Loire et al. 2013).

Literatur

Echelle, A. A., J. C. Hackler, J. B. Lack, S. R: Ballard, J. Roman, S. F. Fox, D. M. Leslie & R. A. Van Den Bussche (2010): Conservation genetics of the alligator snapping turtle: cytonuclear evidence of range-wide bottleneck effects and unusually pronounced geographic structure. – Conservation Genetics 11(4): 1375-1387 oder Abstract-Archiv.

Gibson, L., A. J. Lynam, C. J. A. Bradshaw, F. L. He, D. P. Bickford, D. S. Woodruff, S. Bumrungsri & W. F. Laurance (2013): Near-Complete Extinction of Native Small Mammal Fauna 25 Years After Forest Fragmentation. – Science 341: 1508-1510; DOI: 10.1126/science.1240495 ➚.

Hanski, I., G. A. Zurita, M. I. Bellocq & J. Rybicki (2013): Species–fragmented area relationship. – Proceedings of the Natural Academy of Science U S A. 110 (31): 12715-12720; DOI: 10.1073/pnas.1311491110 ➚.

Kuo, C.-H. & F. J. Janzen (2004): Genetic Effects of a Persistant Bottleneck on a Natural Population of Ornata Box Turtles (Terrapene ornata). – Conservation Genetics 5(4): 425-437 oder Abstract-Archiv.

Loire, E., Y. Chiari, A. Bernard, V. Cahais, J. Romiguier, B. Nabholz, J. M. Lourenço & N. Galtier (2013): Population genomics of the endangered giant Galapagos tortoise. – Genome Biology 14(12): R136 oder Abstract-Archiv.

Schnell, J. K., G. M. Harris, S. L. Pimm & G. J. Russell (2013): Quantitative analysis of forest fragmentation in the atlantic forest reveals more threatened bird species than the current red list. – PLoS One. 8(5): e65357.

Stiebens, V. A., S. E. Merino, C. Roder, F. J. Chain, P. L. Lee & C. Eizaguirre (2013): Living on the edge: how philopatry maintains adaptive potential. – Proceedings of the Royal Society, Series B Biological Sciences 280(1763): 20130305 oder Abstract-Archiv.

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