Gelbwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta scripta, – © Hans-Jürgen Bidmon

Carter - 2019 - 02

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Carter, A. W., R. T. Paitz & R. M. Bowden (2019): The Devil is in the Details: Identifying Aspects of Temperature Variation that Underlie Sex Determination in Species with TSD. – Integrative and Comparative Biology 59(4): 1081-1088.

Der Teufel steckt im Detail: Die Identifizierung der Auswirkungen von Temperaturschwankungen, die der Geschlechtsbestimmung bei Arten mit TSD zugrunde liegen.

DOI: 10.1093/icb/icz036 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die meisten Organismen sind in ihrer Umwelt schwankenden Temperaturen ausgesetzt. Allerdings ist unser Wissen darüber wie Organismen auf diese Temperaturschwankungen reagieren unterentwickelt. Zum Beispiel beeinträchtigt die Unfähigkeit für Arten mit temperaturabhängiger Geschlechtsausprägung (TSD) die Geschlechterverhältnisse bei schwankenden Temperaturen im Freiland vorherzusagen gute Abschätzungen vorzunehmen die Aussagen über die Auswirkungen des Klimawandels für diese Spezies zulassen würden. Um besser zu verstehen wie die Geschlechtsausprägung durch schwankende Temperaturen beeinflusst wird inkubierten wir Eier von Trachemys scripta unter einem „Hitzewellen-design“ bei dem die Embryonen bei einer Männchen-produzierenden Temperatur von 25 ± 3 °C für die meiste Zeit ihrer Entwicklung inkubierten die durch unterschiedlich lange Perioden mit einer Weibchen-produzierenden Temperatur von 29.5 ± 3 °C während des Zeitfensters in dem das Geschlecht festgelegt wird unterbrochen war. Wir verglichen dann die Geschlechterverhältnisse die sich unter diesen Inkubationsbedingungen ergaben mit jenen aus einem früheren Experiment das auch ein „Hitzewellen-design“ nutzte bei dem aber die Eier bei Männchen-produzierenden Temperatur von 27 ± 3 °C inkubierten und die Unterbrechungsperioden mit der gleichen Weibchen-produzierenden Temperatur von 29.5 ± 3 °C verwendet worden waren. Wir verglichen dann die Geschlechterverhältnisse die sich unter diesen beiden Inkubationsregimen entwickelt hatten und fanden, dass sich trotz der Unterschiede in Bezug auf die unterschiedlichen Gesamtinkubationstemperaturen beide Experimente zu ausgeglichenen 50:50 Geschlechterverhältnis geführt hatten, wenn die Weibchen-produzierende Temperatur für etwa 8 Tage auf die Eier eingewirkt hatte. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass das Geschlecht in ein paar Tagen Inkubation bei Weichen-produzierende Temperatur festgelegt werden kann und dass das Geschlecht von schwankenden Temperaturen die außerhalb dieser kurzen Periode erfolgen relativ unbeeinflusst bleibt. Zudem zeigen diese Daten eine verminderte Genauigkeit für das Konstante-Temperaturequivalent-Modell (Die führende Methode zur Bestimmung der Geschlechterverhältnisse) trotz natürlicher Weise schwankenden Temperaturen. Die Konzeptionierung der Geschlechtsfestlegung als die Anzahl der Tage die bei einer Weibchen-produzierenden Temperatur während der Inkubation verbracht wurden anstatt der Festlegung durch eine aggregierte Statistik wird durch mechanistische Grundlagen für TSD unterstützt und es hilft bei der Verbesserung der Methoden zur Abschätzung der Geschlechterverhältnisse ebenso hat es wesentliche Konsequenzen für die Vorhersagen wie Arten mit TSD auf den Klimawandel reagieren werden.

Gelbwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta scripta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Gelbwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta scripta,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Meiner Meinung nach liefern auch diese Daten noch keine zufriedenstellenden Grundlagen zur Geschlechtsausprägung unter natürlichen Inkubationsbedingungen. Sie kommen aber den natürlichen Gegebenheiten die wir beobachten können durchaus näher als frühere Modelle. Was die ganze Betrachtung erschwert sind die wirklich unterschiedlichen (stochastischen) Frühjahrstemperaturen in der Natur zu Beginn der Nistsaison von vielen Arten (siehe auch Ivanchev, 2007; Diaz-Paniagua et al., 2006). Was man aber aus diesen Daten vielleicht als sehr hilfreich entnehmen kann ist die Tatsache, dass es für die Festlegung des weiblichen Geschlechts eines über etwa 8 Tage anhaltenden Temperaturanstiegs bedarf. Dabei scheint es in erster Linie nicht darauf anzukommen wie hoch dieser letztendlich ausfällt, denn wenn sowohl der Unterschied von 25 °C auf 29,5 °C wie auch der von 27 °C auf 29,5 °C ausreicht um die weibliche Entwicklung einzuleiten, dann lassen sich damit einige der Freilandbeobachtungen erklären. Allerdings auch hier verbleiben noch etliche offene Fragen, wenn man sich mal die Temperaturschwankungen anschaut die für die Freilandnester von einigen Arten gemessen wurden (Christie & Geist, 2017; Ivanchev, 2007; Diaz-Paniagua et al., 2006, Leuteritz & Ravolanaivo, 2005). Letztendlich sollte man auch nicht vergessen, dass diese Daten ja streng genommen derzeit auch nur für Trachemys scripta gelten. Siehe auch Massey et al. (2019); Mitchell & Janzen, 2019 und Mork et al. (2014) und die dortigen Kommentare, denn was uns diese Literaturzusammenstellung verdeutlicht ist doch auch, dass es anscheinend große spezies-spezifische Unterschied gibt, denn anders wären manche der Temperaturprofile nicht zu verstehen.

Literatur

Christie, N. E. & N. R. Geist (2017): Temperature Effects on Development and Phenotype in a Free-Living Population of Western Pond Turtles (Emys marmorata). – Physiological and Biochemical Zoology 90(1): 47-53 oder Abstract-Archiv.

Diaz-Paniagua, C., A. C. Andreu & C. Keller (2006): Effects of temperature on hatching success in field incubating nests of spur-thighed tortoises, Testudo graeca. – Herpetological Journal 16(3): 249-257 oder Abstract-Archiv.

Ivanchev I. E. (2007a): Population ecology and biology of Testudo hermanni (Reptilia: Testudinidae) at the Eminska mountain, Bulgaria. – Acta Zoologica Bulgaria 59(2): 153-163 oder Abstract-Archiv.

Leuteritz, T. E. J. & R. Ravolanaivo (2005): Reproductive ecology and egg production of the radiated tortoise (Geochelone radiata) in southern Madagascar. – African Zoology 40(2): 233-242 oder Abstract-Archiv.

Massey, M. D., S. M. Holt, R. J. Brooks & N. Rollinson (2019): Measurement and modelling of primary sex ratios for species with temperature-dependent sex determination. – Journal of Experimental Biology 222(1): 190215 oder Abstract-Archiv.

Mitchell, T.S. & F. J. Janzen (2019): Substrate Influences Turtle Nest Temperature, Incubation Period, and Offspring Sex Ratio in the Field. – Herpetologica 75(1): 57-62 oder Abstract-Archiv.

Mork, L., M. Czerwinski & B. Capel (2014): Predetermination of sexual fate in a turtle with temperature-dependent sex determination. – Developmental Biology 386: 264-271 oder Abstract-Archiv.

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