Landkarten-Höckerschildkröte, Graptemys geographica,– © Grégory Bulté

Bulté - 2021 - 01

Bulté, G., B. Huneault & G. Blouin-Demers (2021): Free-ranging male northern map turtles use public information when interacting with potential mates. – Ethology 127(11): 995-1001.

Freilebende männliche Nördliche Landkartenschildkröten nutzen öffentlich zugängliche Informationen, wenn sie mit potentiellen Paarungspartnern interagieren.

DOI: 10.1111/eth.13221 ➚

Landkarten-Höckerschildkröte, Graptemys geographica, – © Grégory Bulté
Landkarten-Höckerschildkröte,
Graptemys geographica,
© Grégory Bulté

Spermakompetition (Konkurrenz) herrscht bei Tieren oft vor und viele Anpassungen entwickelten sich während der Evolution um dieses Risiko zu minimieren. Männchen können das Risiko der Spermakompetition verringern, wenn sie wahrnehmbare Informationen nutzen, wenn sie mit potentiellen Paarungspartnern interagieren. Im Speziellen können Männchen die Spermakompetition dadurch ausschließen, dass sie sich nicht mit Weibchen abgeben die sich bereits mit einem anderen männlichen Rivalen einlassen. Wir testeten diese Hypothese bei einer Population wildlebender Nördlicher Landkartenschildkröten (Graptemys geographica), einer geselligen Art mit scheinbar häufig vorkommender Spermakompetition. Wir verwendeten dazu in einem 3D-Drucker erzeugte Attrappen und Unterwasserwasservideoaufzeichnungen um die Reaktionen der freilebenden Männchen mit den weiblichen Attrappen – die entweder schon mit einem Rivalen interagieren oder eben noch nicht – zu erfassen. Beobachtet wurde, dass die Männchen häufiger weibliche Attrappen aufsuchten, wenn schon Rivalen zugegen waren was vermuten lässt, dass sie diese Interaktionen während der Partnerauswahl belauschen. Die Wahrscheinlichkeit einer direkten Interaktion eines Männchens mit einer weiblichen Attrappe lag aber höher, wenn keine Rivalen zugegen waren was nahelegt, dass sie sich so verhalten als wollten sie damit das Risiko der Spermienkonkurrenz verringern. Zudem unterschied sich das Interaktionsverhalten in Bezug auf weibliche Attrappen die schon von Rivalen aufgesucht wurden zu jenen bei denen noch keine Rivalen anwesend waren, was vermuten lässt, dass es zu einem „Zuschauereffekt“ während der Weibchen-Männchen-Interaktion kommt. Zum Schluss stellten wir noch fest, dass die Männchen mit Männchen-imitierenden Attrappen wesentlich häufiger interagierten als mit den weiblichen Attrappen was nahelegt, dass es zu einer bislang noch nicht völlig verstandenen Form von Männchen-Männchen-Interaktion kommt. Zusammenfassend verweisen unsere Ergebnisse darauf, dass wildlebende Männchen der Nördlichen Landkartenschildkröte „öffentlich“ (sichtbare) Informationen für die Partnerwahl nutzen um damit die Spermienkonkurrenz zu verringern.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun diese auf dieser Attrappenstudie basierenden Befunde haben ja eigentlich nur Verhaltensweisen zwischen Geschlechtspartnern und Rivalen getestet die auf rein visuellen Signalen beruhen. Dabei hat man die olfaktorischen (geruchlichen) Signale des jeweilig anderen Interaktionspartners komplett ausgeblendet, ob das dann schon das ganze Spektrum eines Interaktionsverhaltens dokumentieren kann bleibt fraglich, wenn man es einmal mit den Daten aus anderen Studien vergleicht (z. B. Poschadel et al., 2006; Kelly & Mendonca, 2020). Dennoch verwundert es einen schon wie so manche mit der sexuellen Fortpflanzung einhergehende Verhaltensweise sich während der Evolution zu angeblich Höherem erhalten hat, denn selbst in modernen menschlichen Gesellschaften leben ganze mediale Industriezweige von der zur Schaustellung männlicher und weiblicher Interaktionen gar nicht so schlecht. Insofern kann man annehmen, dass solche Verhaltensweisen durchaus einen Selektionsvorteil zumindest unter bestimmten Lebensbedingungen bieten, denn sonst wären sie wohl längst verschwunden. Abgesehen von dieser eher unwissenschaftlichen Anmerkung sollte aber auch nicht vergessen werden, dass letztendlich bei vielen Tieren bei denen die Weibchen Sperma speichern können diese über physiologische und hormonelle Anpassungen einen direkten Einfluss auf die Spermienkonkurrenz nehmen können. Da man immer wieder feststellen konnte, dass es trotz Mehrfachverpaarungen dazu kommt, dass das Sperma bestimmter Männchen häufiger zur Befruchtung der Eier genutzt wurde (Bouchard et al., 2017, Moon et al., 2006).

Literatur

Bouchard, C., N. Tessier & F. L. Lapointe (2017): Paternity Analysis of Wood Turtles (Glyptemys insculpta) Reveals Complex Mating Patterns. – Journal of Heredity 109(4): 405-415 oder Abstract-Archiv.

Kelley, M. D., K. Cheikhouna, J. W. Finger Jr. & M. T. Mendonça (2020): Behavioural discrimination of male mental gland secretions of the gopher tortoise (Gopherus polyphemus) by both sexes. – Behavioural Processes 183: 104314 oder Abstract-Archiv.

Moon, J. C., E. D. McCoy, H. R. Mushinsky & S. A. Karl (2006): Multiple paternity and breeding system in the gopher tortoise, Gopherus polyphemus. – Journal of Heredity 97(2): 150-157 oder Abstract-Archiv.

Poschadel, J. R., Y. Meyer-Lucht & M. Plath (2006): Response to chemical cues from conspecifics reflects male mating preference for large females and avoidance of large competitors in the European pond turtle, Emys orbicularis. – Behaviour 143(5): 569-587 oder Abstract-Archiv.

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