Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Bowne - 2006 - 01

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Bowne, D. R., M. A. Bowers & J. E. Hines (2006): Connectivity in an agricultural landscape as reflected by interpond movements of a freshwater turtle. – Conservation Biology 20(3): 780-791.

Verbindungen (Zusammenhänge) innerhalb einer Agrarlandschaft aufgezeigt an den Wanderungen von Wasserschildkröten zwischen den Teichen

DOI: 10.1111/j.1523-1739.2006.00355.x ➚

Konnektivität (Zusammenhang, Verbindung) in der Ökologie ist ein Maß dafür, wie Landschaftskomponenten die Bewegungen und Veränderungen beeinflussen, und ist so mit ein wichtiger Faktor für die Erhaltung von Arten innerhalb einer fragmentierten Landschaft. Allerdings sind solche Daten, die empirisch die Bewegungen von Tieren quantitativ erfassen und deren Auswirkungen auf die Populationsdichten untersuchen, selten. Dadurch wird die Konnektivität nur begrenzt bei der Planung von Erhaltungsmaßnahmen berücksichtigt. Wir untersuchten in einer vierjährigen Studie das Verhalten von fünf Altersklassen der Zierschildkröte Chrysemys picta und kalkulierten an Hand ihrer Wanderungsraten und Wanderungsmöglichkeiten die Konnektivität für eine Agrarlandschaft mit einem Teichkomplex im nördlichen Virginia (USA). Dabei bestimmten wir auch die Variablen, welche die Konnektivität beeinflussen und die Beziehungen zwischen Konnektivität und der Dichte der Subpopulationen. Dabei zeigte sich, dass die Distanz zwischen Abschnitten (gemeint Teichen) und die Habitatqualität einen starken Einfluss auf die Konnektivität haben, wohingegen die Charakteristika der dazwischen liegenden Matrix (nicht als Habitat genutzte Bereiche) keinen hatte. Adulte weibliche Schildkröten waren stärker von der Habitatqualität der aufgesuchten Teiche abhängig als die anderen Alters- bzw. Geschlechtsklassen. Die Bedeutung von Konnektivität in Bezug zu den räumlichen Populationsdynamiken und Dichten zeigte sich besonders während Trockenphasen. Die Populationsdichten und die Konnektivität waren gering für einen bestimmten Teich während feuchter Jahre, aber dramatisch erhöht während trockener Jahre, in denen die anderen Teiche trocken fielen. Konnektivität ist ein sehr wichtiger Faktor für das Überleben einer Art in einer heterogenen Landschaft und abhängig vom Wanderverhalten der jeweiligen Spezies. Konnektivität reflektiert die aktive Auswahl oder das Meiden von bestimmten Habitatflächen. Der Einfluss der Habitatqualität auf die Konnektivität wurde oft vernachlässigt, aber unsere Daten verweisen auf deren Wichtigkeit. Planer von Erhaltungsmaßnahmen, die Konnektivität in ihr Design des Schutzgebiets mit einbeziehen, sollten dabei unbedingt das Verhalten der Arten mit berücksichtigen und nicht nur auf die Landschaftsformen und damit die strukturellen Vorgaben für Konnektivität achten.

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dies ist eine sehr wichtige Studie, die wertvolle Informationen bietet, für alle die sich berufsmäßig oder hobbymäßig mit Schutzmaßnahmen befassen. Sicher, für viele mag sich diese Beschreibung von Konnektivität kompliziert anhören, aber sie drückt nur einen wichtigen Aspekt aus und verweist deutlich auf den Schutz von Systemen anstatt von einzelnen Biotopen. Ich will das kurz an dem beschrieben Beispiel erläutern. In normalen feuchten Jahren besiedeln die Schildkröten kleinere, flache Teiche, die sich schnell aufheizen und wärmer sind als die größeren tiefen Gewässer. Deshalb könnte man ja auf die Idee kommen, wir müssen nur die kleineren flachen Gewässer unter Schutz stellen, da sie hauptsächlich besiedelt werden und können die tieferen ruhigen Gewissens für Angelsportvereine und Badebesucher freigeben. Damit wäre dann „vermeintlich“ allen Interessen gedient. Weit gefehlt, denn diese Studie zeigt klar, dass dies nur in feuchten Jahren Schildkröten (hierzulande wären es wohl oft Amphibien und nur noch in manchen Regionen Sumpfschildkröten, Emys orbicularis) das Überleben garantiert, denn in trockenen Jahren müssen sie zu den tieferen Gewässern gefahrlos ausweichen können, ohne dass sie dort eingesetzten Raubfischen oder Wassersportlern und ihren Geräten zum Opfer fallen. Andernfalls vertrocknen sie oder erleiden erhebliche Populationsrückgänge, die, wenn mal zwei bis drei trockene Sommer hintereinander kommen, kaum mehr zu kompensieren sind und vielleicht zum völligen Aussterben führen. Hieran wird deutlich, warum solche Studien langfristig sein müssen und auch Umweltverträglichkeitsgutachten langfristig geplant sein müssen. Denn eine Habitaterfassung sollte zwangsläufig sowohl feuchte als auch trockene Jahre mit einschließen, um überhaupt zu einer sinnvollen, langfristig auch effektiven Schutzstrategie zu kommen. Denn eine nur einjährige Datenerfassung während eines feuchten Jahres hätte in diesem beschrieben Fall sicherlich zu einer kompletten Fehleinschätzung in Bezug auf die zu erhaltenden Gewässer geführt. Auch Politiker und gesellschaftliche Entscheidungsträger sollten sich das einmal vor Augen führen, zum Beispiel bei der Beurteilung widersprüchlicher Gutachten von verschieden Interessensverbänden. Es verwundert nicht, warum gerade bestimmte Lobbyistenorganisationen immer wieder auf bestimmte Gutachter zurückgreifen und bei Habitatbegehungen zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Wer mittags um Zwölf bei Sonnenschein nach mehreren Schönwettertagen eine Habitatbegehung macht, wird selbst in einem Feuchtgebiet nur schwer eine noch intakte Feuersalamanderpopulation nachweisen können. Insofern sollte man schon genau hinsehen, unter welchen Umständen, wann und zu welcher Jahreszeit, was erfasst wurde. Ansonsten brauchen wir uns nicht wundern, warum sich manche Arten trotz ausgewiesener Schutzmaßnahmen einfach nicht langfristig erhalten lassen „wollen“.
Ich habe das einmal im Kaufungerwald nahe meines Heimatorts miterleben dürfen, wie in einem Waldtal, in dem es eine Feuersalamanderpopulation gab, die so dicht war, dass man an verregneten Juniabenden kaum vermeiden konnte, auf einen zu treten, diese zusammenbrach. Nur weil erlaubt wurde, dort für den Angelsportverein einen Angelteich und zwei Aufzuchtteiche für Regenbogenforellen anzulegen, aus denen dann bei Hochwasser natürlich auch Fische in die umliegenden Fließgewässer entkamen. Heute brauchen Sie dort keine Angst mehr haben, einen Feuersalamander zu zertreten, denn wenn Sie noch einmal einen sehen, haben sie Glück gehabt. Denn ihre Larven haben kaum eine Chance so alt zu werden, dass sie die Gewässer lebend verlassen können. Nur in sehr nassen Jahren, wenn die Pfützen der Holzabfuhrwege ihr Wasser lange genug halten, schaffen es noch ein paar, die Metamorphose erfolgreich zu durchlaufen. Davon waren auch andere Amphibien, die Ringelnatter und selbst die heimische Bachforelle betroffen. Lediglich die Erdkröte hat die Folgen wenn auch nicht unbeschadet, so doch etwas besser verkraftet, so dass man sie und ihren Nachwuchs noch regelmäßig beobachten kann. Auch hier sind es gerade die trockenen Jahre, die die Tiere zum Laichen in die angelegten Fischteiche treiben, in denen sie selbst oder ihre Larven zur Beute werden, zumal durch die Speicherung des Wassers in den Fischteichen in den trockenen Jahren der ursprüngliche Bachlauf auch fast trocken fällt und dort wo noch tiefere Wasseransammlungen stehen, sich nicht selten entwichene Regenbogenforellen ansammeln.
Nur wenige Kilometer davon entfernt gab es einen Tagebausee, der, solange er im aktiven Tagebaugebiet lag, über Jahre hinweg eine gute Geburtshelferkrötenpopulation beherbergte. Nur wenige Jahre nachdem er zum Beangeln freigegeben wurde und mit diversen Fischen bestückt wurde, hört man kein einziges rufendes Tier mehr und Kaulquappen findet man auch nicht mehr. Insofern sollten sich Naturschützer, aber auch all jene Vereinigungen, die sich gerade Landschaftsschutz und Naturschutz gerne auf die Fahnen schreiben, einmal Gedanken darüber machen, wie sich denn ihr Tun, gerade dann, wenn es meist nur einseitig auf ein Ziel ausgerichtet ist, auf das Gesamtökosystem auswirkt. Muss wirklich jedes Gewässer, das es von der Größe her zulässt, mit Raubfischen einschließlich dem Aal bestückt werden? Sicher, bei diesen angemerkten Beispielen handelt es sich nur um Langzeitbeobachtungen eines Einzelnen, die vielleicht noch durch die Erzählungen einiger Zeitgenossen gestützt werden könnten und nicht um wissenschaftliche Untersuchungen. Aber Populationsrückgänge und Zusammenbrüche sind mittlerweile akzeptierte Realität, sonst würden die so genannten Roten Listen nicht immer länger. Da stellt sich die Frage, haben wir überhaupt noch die Zeit und die Mittel, alles wissenschaftlich zu untersuchen? Oder sollten wir nicht vielmehr auch die Schilderungen von privaten Naturbeobachtern aus der einheimischen Bevölkerung hören und diese ernst nehmen und mit in unser Handeln einbeziehen? Siehe auch Saenz-Arroyo et al. (2006). Ganz besonders gilt das vor dem oft grotesken Hintergrund der diversen „Organisationsmeinungen“, wo die Amphibienschützer den Anglern Vorwürfe machen, die Angler wiederum den Vogelschützern auf den Leib rücken, weil Kormoran und Graureiher Schäden verursachen, ein Teil der Vogelschützer den Jägern vorwirft, sie seien schießwütig, weil sie die Zunahme der als Singvögel geschützten Krähenvögel durch Bejagung einschränken wollen und einige der Jäger sind gegen alle anderen, zumindest dann, wenn deren Vertreter sie durch deren Aktivitäten bei der erfolgreichen Jagd im Revier stören. Da kann man doch nur sagen – falls es eine Schöpfungsgeschichte gegeben haben sollte – dann – Gott sei Dank – ohne den Einfluss einseitig orientierter Verbandslobbyisten!

Literatur

Saenz-Arroyo, A., C. M. Roberts, J. Torre, M. Carino-Olvera & J. P. Hawkins (2006): The value of evidence about past abundance: marine fauna of the Gulf of California through the eyes of 16th to 19th century travellers. – Fish and Fisheries 7(2): 128-146 oder Abstract-Archiv.

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