Schmuck-Dosenschildkröte, Terrapene ornata, – © Devin Edmonds

Bernstein - 2005 - 01

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Bernstein, N.P. & R.W. Black (2005): Thermal environment of overwintering ornate box turtles, Terrapene ornata ornate, in Iowa. – American Midland Naturalist 153(2): 370-377.

Die Umgebungstemperatur von überwinternden Dosenschmuckschildkröten, Terrapene ornata ornata, in Iowa

DOI: 10.1674/0003-0031(2005)153[0370:TEOOOB]2.0.CO;2 ➚

Schmuck-Dosenschildkröte, Terrapene ornata, – © Devin Edmonds
Schmuck-Dosenschildkröte,
Terrapene ornata,
© Devin Edmonds

Es wurden die Carapaxtemperaturen von Dosenschmuckschildkröten (Terrapene ornata ornata) während zweier Überwinterungsperioden 2001-2002 und 2003-2004 mittels an den Tieren montierten Datenspeichern registriert. Die Datenspeicher registrierten mit einer Genauigkeit von ±0,5 ºC alle drei Stunden einen Messwert. Analysiert wurden Daten zum Zeitpunkt des Eingrabens im Herbst, das Wiederauftauchen im Frühjahr, die Bodentemperaturen, die 48 Stunden vor dem Erwachen herrschten, sowie die Gesamtregistrierung während der ganzen Hibernationsperiode. Für den Zeitraum von 2003-2004 wurden auch zusätzlich die Bodentemperaturprofile in verschiedenen Tiefen bis zu einer maximalen Tiefe von 0,75 m erfasst. Die meisten der Schildkröten kühlten nicht bis zum Gefrierpunkt ab, lediglich zwei Tiere wiesen während des Winters 2001-2002 Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auf, die über einen Zeitraum von 54 aufeinander folgenden Tagen so niedrig blieben. Während der Periode von 2001-2002 vergruben sich im Herbst 8 von 9 beobachteten Schildkröten innerhalb von 7 Tagen, und alle 9 erschienen auch innerhalb von nur 7 Tagen im Frühjahr aus ihren Überwinterungshöhlen. Während der Periode 2003-2004 vergruben sich die 16 beobachteten Tiere innerhalb von 14-21 Tagen, und alle erschienen im Frühjahr innerhalb einer Zeitspanne von 15 Tagen aus den Höhlen. Die Dauer der Winterstarre variierte zwischen 172 und 201 Tagen, somit lag sie zwischen jenen, welche für die nördlicheren, südlicheren und westlicheren Populationen bekannt sind. Während der Periode 2003-2004 vergruben sich die meisten Tiere in einer Tiefe von 0,5-0,75 m, allerdings hatten wir früher auch schon eine Tiefe von 1,67 m gemessen. Im Frühjahr zeigte sich, dass das Auftauchen der Tiere an der Erdoberfläche nicht in Abhängigkeit zur Bodentemperatur erfolgte, und es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Auftauchen wie früher berichtet (Grobmann 1990) durch eine 48-stündige Erhöhung der Bodentemperatur über 7 ºC ausgelöst wurde. Daraus schließen wir, dass das Erwachen von Terrapene ornata ornata im Frühjahr durch mehre komplex interagierende Faktoren ausgelöst wird und dass die Tiere längere Zeiträume unterhalb des Gefrierpunkts überdauern können.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Besonders der letzte Aspekt, dass sich Terrapene nicht durch einfache Temperaturerhöhung während des Winters aufwecken lässt, scheint eine gewisse Allgemeingültigkeit zu haben, denn ich konnte es bei den von mir in den USA, North Carolina gehaltenen Terrapene carolina carolina auch beobachten. Vielleicht handelt es sich um eine Anpassung an die Situation, dass je nach Windrichtung auch innerhalb der Wintermonate durchaus Temperaturen von über 20 ºC auftreten und nur wenige Stunden bis Tage später wieder Eisregen die Landschaft überzieht. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die aktuelle Arbeit sehr ausführliche Temperaturschwankungstabellen enthält, die sicher als Grundlage für eine eventuelle Haltungsanpassung sehr hilfreich sein können.
Insbesondere möchte ich diese neuere Arbeit aber aufgreifen, um eine Frage aufzuwerfen. Seit den 80er-Jahren gibt es Berichte und auch wissenschaftliche Publikationen darüber, dass Terrapene ornata eine Hibernationsperiode durchmacht. Dies gilt selbst für die südlichsten Populationen aus den Bundesstaaten Texas und Louisiana, wo diese Periode lediglich etwas kürzer (Dezember bis Ende Januar) ist als in den nördlicheren Verbreitungsgebieten. Bei diesen südlichsten Populationen gibt es zudem noch die Besonderheit, dass sie sich in manchen Wintern nicht eingraben, sondern nur Schutz unter Laub und Ähnlichem suchen. Ansonsten kann aber festgestellt werden, dass eine Winterruhe zum normalen Leben einer
T. o. ornata gehört, genauso wie es für unsere Europäischen Landschildkröten zumindest für Testudo horsfieldii, T. graeca ibera, T. h. hermanni, T. h. boettgeri, und T. marginata bekannt ist. Vielen, die heute ihre Europäischen Landschildkröten ohne diese Winterruhe halten, wird eine inadäquate Haltung (wenn nicht sogar unzulässige Haltung) unterstellt, die abzulehnen ist, selbst dann, wenn sich trotzdem Nachzuchten erzielen lassen. Nun die Frage: Haben Sie in einem Vortrag oder Bericht zur Haltung und Zucht von Terrapene ornata in Deutschland und den Anrainerstaaten schon einmal etwas von einer ausgedehnten Winterruhe gehört, geschweige denn mit einer Abkühlung unter 10 ºC oder gar darunter? Da drängt sich doch die Frage auf, sind Schildkröten so anpassungsfähig, dass man sie bezogen auf die Winterruhe halten kann, wie man will, oder machen die europäischen Halter und Züchter bei ihrer Methodik einen Kardinalfehler? Den würden man ihnen sicher unterstellen, wenn es sich dabei um Europäische Landschildkröten handelte (oder lesen Sie keine Forendiskussionen?). Vielleicht geben diese Zeilen ja Anlass dazu, einmal darüber nachzudenken, zu diskutieren und vielleicht auch zum Ausprobieren zum Wohle der Tiere. Letzteres könnte in abgewandelter Form auch für T. o. luteola gelten, siehe dazu Plummer et al. (2003): J. Herpetol., 37: 747-750 oder Abstract im WiF Archiv.
Meines Erachtens sollte man einmal grundsätzlich, die oft praktizierte Haltung von den so genannten tropischen bzw. subtropischen Arten überdenken, denn ich habe aus eigener Erfahrung den Verdacht, dass selbst adulte Zuchttiere von Sternschildkröten, wenn sie ohne entsprechende Ruhephasen gehalten werden, schneller altern, als sie es vielleicht in der Natur tun würden. Es würde mich zumindest freuen, wenn zukünftig zu dieser Thematik mehr Diskussionen und Erfahrungsberichte in Gang kämen bzw. ausgetauscht würden und dazu möchte ich nicht nur Privatleute, sondern auch unsere Kollegen in den Zoos ermuntern.

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