Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Benitez-Capistros - 2016 - 01

Benitez-Capistros, F., J. Huge, F. Dahdouh-Guebas & N. Koedam (2016): Exploring conservation discourses in the Galapagos Islands: A case study of the Galapagos giant tortoises. – Ambio 45(6): 706-724.

Die Untersuchung des Erhaltungsdiskurses (Ziele) auf den Galapagosinseln: Eine Fallstudie über die Galapagos-Riesenschildkröten.

DOI: 10.1007/s13280-016-0774-9 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Erhaltungsziele wechseln oft schnell und zwar sowohl auf der globalen Ebene wie auch im lokalen Maßstab. Um diese Wechsel und deren Beziehung zwischen Menschen und der Natur zu erfassen fokussierten wir uns auf einen lokalen Arterhaltungsfall für eine Ikone: Die Galapagosriesenschildkröte (Chelonoidis spp.). Wir verwendeten die so genannte Q-Methode um die Erhaltung im Sinne der Wissenschaft und für die Entscheidungsfindung zu kontextualisieren und um die Multidimensionalität des Erhaltungskonzepts für die Galapagosinseln zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen vier überwiegende Diskussionsthemen: 1. Die so genannte Multiakteur-Herrschaft und Einwirkung; (2) Riesenschildkröten und Ökosystemerhaltung; (3) die Einflussnahme der Lokalbevölkerung (Kommunale Herrschaft) und (4) einen marktzentrierten und tourismuszentrierten Diskurs. Diese Erkenntnisse erlauben es uns vorhersagbare Thematiken zu identifizieren, die auf der einen Seite zu Unstimmigkeiten und Ablehnung führen und auf der anderen Seite zu Thematiken die zu einem Konsens beitragen und wir können auf dieser Basis die Auswirkungen dieser Erkenntnisse diskutieren, um eine Sozio-Ökologische-Erhaltung zu adressieren und nachhaltig wirkende Veränderungen einzuleiten. Das kann den verschiedensten an diesem Prozess beteiligten Parteien (Regierung, Erhaltungsmanager, Wissenschaftler und Lokalbevölkerung) dazu dienen entsprechende Erhaltungsmaßnahmen und Vorschriften im Rahmen eines Gesamtkontexts so zu entwickeln, dass es dabei zu einem besseren und nachhaltigen Management für den Gesamtarchipel (Galapagos) kommt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun dieses Abstract und die durchaus ausführliche Arbeit beschreibt eine vielleicht für manche nicht einfach zu verstehende Situation in Bezug auf den Naturschutz und die Arterhaltung. Aber das Schwierige sich verwirrend lesende bezieht sich nur auf die Vielen, die auf solchen einen Prozess Einfluss nehmen und alle ihre unterschiedlichen Interessen berücksichtigt wissen wollen oder gar in den Vordergrund stellen. Das ist eigentlich nichts anderes als Politik die wir alltäglich auch hier erleben. Als Beispiel erinnere ich mich noch gut an die Diskussion des Kohlekraftwerkbaus im Jahr 2010 in NRW (Bidmon, 2010). Wo die Landwirte zur Verhinderung den Feldhamster als auf europäischer Ebene geschützte Art ins Feld führten während damals Rhein-Braun (RWE) das Argument der Arbeitsplätze und die Gewährleistung der Stromversorgung gegenüber der Politik ins Feld führten. Ja und auf der Ebene der Lokalbevölkerung überwog natürlich die Sorge um Arbeitsplätze zumindest so lange, solange die Politik keine Alternative für solche anbieten konnte. Damals veränderte sich die gesellschaftliche Stimmung im Revier nämlich von der Priorität eines europäischen Artenschutzkonzepts hin zu einer dem Menschen dienenden Ressourcennutzung! Heute hätte wahrscheinlich der europäische Naturschutzaspekt wieder bessere Chancen, denn heute hat sich der Umwelterhaltungskontext dahingehend verschoben, dass wir uns mehr auf die Gesamtumwelt fokussieren die durch den Klimawandel bedroht wird und ich weiß nicht ob unter der heutigen Stimmung überhaupt noch der Bau dieser Kraftwerke hätte durchgezogen werden können. Auf den Galapagosinseln die hier als Beispiel untersucht worden sind gab es die gleichen Probleme: die Wissenschaft forderte um jeden Preis die Arterhaltung und am Anfang war die Lokalbevölkerung dagegen. Ja es kam sogar zum Töten von Schildkröten aus Protest. Dann dienten Schildkröten als Verhandlungswerkzeug mit der Regierung nach dem Motto entweder höhere Fischfangquoten oder keinen Schildkrötenschutz! Ja und heute befürworten alle den Schutz der Schildkröten und Meerechsen und die Ökosystemwiederherstellung weil für die etwa 25.000 Einwohner mit den jährlich mehr als 200.000 Touristen mehr an Einkommen generiert wird als durch Fischfang, Feldarbeit und Viehzucht. Nur dieser Wandel musste im Rahmen eines Gesamtkonzepts erarbeitet werden, d.h. die Wissenschaftler mussten bezüglich des Tourismus Zugeständnisse machen, die für sie nicht unbedingt im Mittelpunkt von Arterhaltungsmaßnahmen standen, die ihnen aber heute ermöglichen Arterhaltung mit und im Sinne der Lokalbevölkerung langfristig zu gewährleisten. Sicher kann man das mit den Kraftwerksregionen in NRW nicht vergleichen, denn niemand wird hier derzeit durch Tourismuszuwachs Arbeitsplätze schaffen können. Aber die Zeit wird kommen und wenn die großen Tagebaulöcher erst einmal zu einer entsprechenden Seenlandschaft renaturiert sind wird vielleicht so mancher Urenkel/in der heutigen Tagebau- und Kraftwerksarbeiter/innen sein Geld mit Tourismus und vielleicht auch mit Artenschutz (Vogel, Biber oder gar wieder Sumpfschildkrötenschutz) verdienen, genauso wie heute so mancher als Eifelranger Touristen über ehemalige renaturierte Truppenübungsplätze führt und damit sein Auskommen verdient. Ob das allerdings dann noch gegen die Erderwärmung hilft sei dahingestellt! Aber vielleicht als kleiner Trost der Ausbreitung der Sumpfschildkröten könnten ein paar Grad mehr an Durchschnittstemperatur durchaus bzgl. ihrer Ausbreitungstendenz entgegenkommen (siehe Sommer et al. 2009). Die damit einhergehende vorausgesagte Zunahme an Extremwetterereignissen gekoppelt mit Meeresspiegelanstieg dürfte da wohl dann schon eher uns zu schaffen machen. Sie sehen multifaktorielle Betrachtungsweisen unter Einbezug vorausschauenden Denkens verkomplizieren vieles und machen es uns und der Politik nicht leichter! Aber geht schon jemand davon aus, dass Leben und insbesondere langfristiges Überleben jemals leicht waren oder zukünftig sein werden?

Literatur

Bidmon, H.-J. (2010): Kommentar zu: Catry, P., C. Barbosa, B. Paris, B. Indjai, A. Almeida, B. Limoges, C. Silva & H. Rio Pereira (2009): Status, Ecology, and Conservation of Sea Turtles in Guinea-Bissau. – Chelonian Conservation and Biology 8(2): 150-160 oder Abstract-Archiv.

Sommer, R. S., C. Lindqvist, A. Persson, H. Bringsoe, A. G. J. Rhodin, N. Schneeweiss, P. Široký, L. Bachmann & U. Fritz (2009): Unexpected early extinction of the European pond turtle (Emys orbicularis) in Sweden and climatic impact on its Holocene range. – Molecular Ecology 18(6): 1252-1262 oder Abstract-Archiv.

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